Dass die Madagassische Sprache nichts mit dem Deutschen zu tun hat, sollte auf der Hand liegen. Doch ist Madagassisch zu erlernen nun schwieriger oder leichter als Deutsch? Und wie wichtig ist es für uns, Madagassisch sprechen zu können?
Eines vorweg: Unser Ziel, bis zum Winter auf ein gutes Sprachniveau zu kommen, steht fest. Obwohl viele Madagassen auch halbwegs gut französisch (=Amtssprache) sprechen können, ist bei vielen Madagassen, insbesondere den ärmeren, nur madagassisch geläufig. Für unsere Arbeit bei Nehemia, aber auch für viele andere Missionare ist es daher wichtig, die Landessprache zu sprechen, da man sonst keine andere Möglichkeit der Kommunikation hat.
Der Sprachkurs, den Nehemia selbst anbietet, gestaltet sich als äußert effektiv: Im ersten Teil, den wir bereits hinter uns gebracht haben, geht es um den Aufbau eines Grundvokabulars. Wir lernten mit Hilfe von Bildern über 1.000 Wörter und Redewendungen des Alltags: Familie, Berufe, Zahlen, Möbel, Wetter, Tiere, die Uhrzeit...da fühlt man sich wie in der Grundschule. Auf die Grammatik wird dabei wenig eingegangen, da das aktive Hören der neuen Wörter im Vordergrund steht und noch nicht einmal das Sprechen. Wichtig ist, von Anfang an die Betonung der Worte mitzulernen, da diese sich oft ähnlich anhören und die jeweilige Betonung der Silben den Unterschied macht. Vor allem bei den Verben, die alle mit "m" beginnen, ist es schwierig ("milamina" = ruhig, "milamina" = sei ruhig!") Im zweiten Teil, den wir gerade begonnen haben, geht es mehr um das aktive Sprechen. Wir haben einfache Bilderbuchgeschichten, die wir Bild für Bild analysieren und unserem Sprachlehrer auf Madagassisch in ganzen Sätzen erzählen. Hier besteht die Freiheit und gleichzeitig das Ziel, neue Wörter dazuzulernen, die wir - je nach Erfindungsgeist des Geschichtenerzählers - beim Sprachlehrer erfragen können und neu dazu lernen.
Auch die Grammatik rückt hier mehr in den Fokus. Dabei ist einiges herrlich einfach. Die Verben existieren z.B. nur in ihrer Grundform und werden nicht konjugiert.
Andererseits gibt es, für uns neu, eine priorisierende Anwendung des Passivs und Relativs, welches nicht einfach zu lernen ist. Auch der Satzbau ist für uns gewöhnungsbedürftig (Grob erklärt: Verb- Objekt- Subjekt).
Da sich in der Sprache eines Landes auch die Kultur widerspiegelt, profitieren wir durch das Sprachtraining im Bezug auf die Kultur. Es gibt einige Unterschiede, manchmal angenehm, manchmal etwas seltsam. Durch die starke Familienzugehörigkeit und das Wir-Gefühl gibt es beispielsweise eine klare Unterscheidung bei dem Wort "wir". Wenn ich in Deutschland sage, dass "wir" ins Kino gehen, weiß derjenige, mit dem ich gerade spreche, aus dem Zusammenhang, ob er selbst mit gemeint ist oder ob ich mit "wir" beispielsweise nur meine Familie meine und er nicht dabei ist. Im Madagassischen gibt es für das Wort "wir - aber nicht du" das Wort "izahy", für das Wort "wir - und du bist auch dabei" das Wort "isika". Das ist manchmal ganz praktisch, um klare Verhältnisse zu schaffen. Etwas verwunderlich, aber eben auch kulturell bedingt ist, dass es manche Worte aus unserer Sprache nicht im Madagassischen gibt. Wir haben beispielsweise kein Wort für "stolz sein" gefunden, und es war auch schwer, einen Ausdruck für "Spaß haben" zu generieren.
Die schönste Kombination, Sprache und Kultur zusammen zu lernen, sind die vielen Sprichwörter, die in Madagaskar existieren. "Atody miady amam-bato" bedeutet wörtlich übersetzt, dass das Ei gegen einen Stein kämpft. Dies steht zum Beispiel für die Autoritäten und die Bürokratie (=Stein), mit der man (= Ei) hier seine Schwierigkeiten hat. Ein positives Beispiel: "Izay mitambatra vato, izay misaraka fasika" bedeutet "diejenigen, die zusammenhalten, sind wie ein Fels, diejenigen, die uneinig sind, sind wie Sand."
Und mein Lieblingssprichwort, dass wir auf einer langen Autofahrt mit Madagassen aufgeschnappt haben: "Olombelo, tsy akoho!" Menschen sind keine Hühner. Das bedeutet, dass derjenige, der es ausspricht, jetzt pieseln muss. Wer schon einmal ein Huhn beobachtet hat, der weiß, dass es in der Regel nur "groß" macht- also kein "Pipi". Bei uns Menschen ist das in der Regel anders ;-)
Mittlerweile sind wir schon soweit, dass wir nach drei Monaten intensivem Training nicht allzu komplizierte Konversationen mit madagassischen Freunden, Mitarbeitern oder einfach nur mit Verkäufern auf dem Markt führen können. Dadurch, dass überall um uns herum Madagassen sind, haben wir hier ein gutes Übungsfeld. Es ist also - wer hätte das gedacht - leichter als die Deutsche Sprache ;-) Aber dennoch intensiv und herausfordernd. Jetzt, wo für unsere Kinder die Schule und der Kindergarten losgehen, werden sie zwangsläufig auch Madagassisch lernen. Möglicherweise werden wir sie in einem Jahr um Hilfe bei der Übersetzung bitten müssen, sollten sie schneller voranschreiten als wir :-)
Stefan und Nela
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